Initiatische Therapie

nach Karlfried Graf Dürckheim

Der Lehrer des Weges hat in den asiatischen Kulturen eine andere Bedeutung als in Europa. Dort ist er nicht derjenige, der einem Schüler nur Wissen und Können vermittelt, sondern derjenige, der den Weg zeigt. Dazu bedient er sich einer Kunst, deren Ziel jedoch über das Erlernen der Formen hinaus in einen inneren Prozess mündet, woraus die Möglichkeit entsteht „sich auf den Weg zu machen“.

So gesehen ist das, was der Lehrer in diesem Sinne vermittelt für denjenigen zugänglich, der nicht nur die Form sucht, sondern auch sich selbst weiterentwickeln möchte – auf dem inneren Weg. Hier zielen alle zu übenden Formen und Techniken auf ein inneres Wachsen, und je vollendeter die Technik, um so größer die Forderung des Weges nach dem sich selbst entwickelnden Menschen.

Die Initiatische Therapie wurde in den 50er Jahren von Karlfried Graf Dürckheim und Maria Hippius in Todtmoos-Rütte mit dem Ziel entwickelt, den Menschen den Sinn der Selbstentwicklung auf dem inneren Weg zu vermitteln. Dies geschieht anhand von Übungswegen (Meditation, T’ai Chi Ch’uan, Chi Gong, geführtem Zeichnen, personaler Leibarbeit, u.a.)

Eingebettet in eine personale Beziehung zu einem oder mehreren Therpeuten, kann der Schüler lernen, sich mit dem Übungsweg auseinanderzusetzen. Die (wir nennen sie einmal) Meisterschaft, die erreicht wird, besteht nicht in irgendetwas, was der Schüler vielleicht glaubt, sondern in der Formung einer Grundhaltung, auf deren Basis er seine Weiterentwicklung selbst bestimmen kann. Diese Haltung erreicht der Übende nach einer Zeit der Auseinandersetzung mit sich selbst. Dort  wo er dann endlich aufhört, nach äußeren Werten zu suchen, und seinen Blick nach innen richtet, beginnt der Weg.

Der initiatische Weg ist ein Weg zum eigenen Sehen, zum eigenen Denken, ein Weg zur  Befreiung aus allem Gefangensein in den Normen und Gewohnheiten, in den unüberprüften Meinungen und Vorurteilen, gleich worin sie bestehen. Der Fortschritt auf dem Weg besteht in der initiatischen Therapie darin, seinen Körper in die Schulung miteinzubeziehen. Dies nicht im Sinne von Leistung sondern im Sinne von Reifung, wie dies in allen authentischen asiatischen Bewegungskünsten angelegt ist.

Die Art und Weise wie ein Mensch seinen Körper hält, spannt und bewegt, ist kein Zufall, sondern wird von inneren Prinzipien bestimmt. Man kann das beobachten, wenn man den körperlichen Ausdruck verschieden gepolter Menschen vergleicht. (z.B. Rocker und Priester)

Die Übung der Mitte (Hara, Unteres Dan tien) auch im Sinne einer natürlichen Lebensauffassung wird in den Mittelpunkt gestellt.

Das, was der Übende erreichen sollte ist folgendermaßen zu beschreiben:
„Die Welt zu gestalten im Werk und aus dem Wesen zu reifen auf dem Weg“

(Karlfried Graf Dürckheim)